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Dombaumeister: Das Meißner Kornhaus ist der fehlende Baustein der Wiege Sachsens

Presseberichte

Laut Dombaumeister Knut Hauswald ist in zwei Jahren das Kornhaus-Dach gedeckt und die Fassade erneuert. Der Bau ist der absolute Gegenentwurf zum Hotelprojekt.

Sächsische Zeitung, 01.02.2024, Ulf Mallek

Herr Hauswald, man sagt, Sie hätten großen Anteil daran, dass das historische Meißner Kornhaus jetzt einen neuen Besitzer hat. Was ist da dran?

Die ganze Zeit seit dem Verkauf des Kornhauses an die italienische Firma Mercurio durch die Stadt Meißen im Jahr 2006 habe ich mich um einen guten Kontakt zu den Eigentümern bemüht. Das ist auch weitgehend gelungen. Die Dombauhütte stand auch immer bereit, wenn Bauschäden am Kornhaus repariert werden mussten. Die damaligen Eigentümer haben für nötige Reparaturen Geld zur Verfügung gestellt. Tatsächlich stellte ich zuletzt auch die nötigen Kontakte zwischen dem neuen Käufer, der Hornschen Stiftung in Meißen und den Alteigentümern, her.

Warum ist das Kornhaus so wichtig für Meißen? Weil es einfach Teil des historischen Burgbergs ist?

Ja, das Kornhaus ist der fehlende Baustein an der Wiege Sachsens. Eigentlich gehört es immer schon zur Albrechtsburg. Es war der Wirtschaftstrakt der Albrechtsburg mit einer Küche, dem Lager für Naturalabgaben, einem Weinkeller und ab 1525 auch dem Pferdestall. Im Grunde war die Albrechtsburg aber eine Investruine.

Die Brüder Albrecht und Ernst hatten sich gestritten und Sachsen zerfiel in zwei Linien. Die Fürsten und Könige haben niemals in der Burg gewohnt. Das änderte sich in der Manufakturzeit im 18. und 19. Jahrhundert. Da erhielt die Burg einen wirtschaftlichen Sinn. Das Kornhaus wurde dadurch wichtig als Fabrikationsgebäude für die Masseaufbereitung im Keller und für Arbeitsräume in den Etagen. Für das Brennhaus musste ein Teil abgebrochen werden.

Als in der dritten Phase nach dem deutsch-französischen Krieg 1871 der Nationalismus in Sachsen und Deutschland blühte, ist der Burgberg gezielt zur Wiege Sachsens entwickelt worden. Zur Verherrlichung der Wettiner. Nach dem Auszug der Manufaktur war die Albrechtsburg ein nationales Denkmal. Daher wurde das Kornhaus so eine Art Apartementhaus für Staatsgäste zum Übernachten.

Diese Apartmentstruktur hat sich bis heute erhalten. Nach dem Ersten Weltkrieg wurden aus den Apartments richtige Wohnungen, die bis 2008 vermietet waren. Der Stadt Meißen fiel das Gebäude mit vielen Altschulden nach der Wende zu, weil dort diese kommunalen Wohnungen existierten.Der Verkauf des Gebäudes 2006 über eine Immobilienmesse entlastete die damalige SEEG stark.

Als die Mercurio Immobilien GmbH das Kornhaus von der Stadt kaufte, haben Sie die Umbaupläne für ein Fünfsternehotel mit 48 Zimmern gemacht. Sie lagen wohl 2008 vor, das Landesamt für Denkmalpflege war aber nicht so einverstanden. Weshalb scheiterten diese Pläne?

Wir hatten sogar eine rechtsgültige Baugenehmigung, das Landesamt für Denkmalpflege stimmte unter Schmerzen zu. Die Genehmigung wurde sogar noch mal verlängert. Das Scheitern der Hotelpläne lag vor allem an der weltweiten Finanzkrise 2008/2009. Auch die finanzierende Bank wackelte. Da brach das Konstrukt zusammen. Die Baukosten damals beliefen sich auf 6 bis 8 Millionen Euro.

Dann passierte lange Zeit nichts. Bis zur Versteigerungs-Idee der Altbesitzer in 2022 und der Möglichkeit, die AfD könnte das Haus kaufen, oder?

Der italienische Geschäftsführer hatte immer darauf geachtet, dass nötige Reparaturen am Gebäude ausgeführt wurden. Vermutlich auch deshalb, weil Italiener generell sehr denkmalaffin sind. In der Öffentlichkeit wurde das anders wahrgenommen. Das hing vor allem damit zusammen, dass die Besitzer aus Nachlässigkeit die Grundsteuer und Sanierungsgebietsumlagen nicht pünktlich bezahlten. Daher kam auch die Drohung der Stadt mit der Zwangsversteigerung. Ich habe mich sehr bemüht, dass die ausstehenden Summen nachgezahlt wurde, was auch geschah – und die Versteigerung wurde abgesagt.

Dabei lief vieles im Verborgenen, die AfD spielte eine Rolle in den Kaufverhandlungen. Haben Sie Tom Lauerwald von der Hornschen Stiftung angesprochen und ihn gebeten, das Kornhaus zu kaufen?

Nein, das war seine Idee. Abgesehen davon haben wir ein gutes Verhältnis, und ich durfte für seine Stiftung die Sanierung Lommatzscher Tor 1 in Meißen planen und den Bau leiten. Als klar wurde, dass das Kornhaus erschwinglich wurde, stellte ich den Kontakt her. Nach dem Kauf ist die Stiftung öffentlich präsent geworden.

Wie geht es jetzt weiter?

Wir nehmen uns zwei Jahre Zeit für die Sanierung des Dachs und der Fassade, damit das Gebäude gerettet ist. Dabei möchten wir sehr vorsichtig und denkmalgerecht vorgehen. Wir möchten alles, was sich retten lässt, auch retten, also reparieren und nicht sanieren. Dabei nehmen wir uns Zeit. Wir träumen schon davon, dass sich zu 1.100-Jahr-Feier von Meißen im Jahr 2029 das Kornhaus mit dem Erdgeschoss und dem Keller der Öffentlichkeit präsentieren wird.

Wie wird die Fassade aussehen? Wie die Albrechtsburg?

Nein, die Albrechtsburg ist gotisch, das Kornhaus neogotisch. Schon deshalb wird es nicht wie die Burg aussehen können. Wir werden sehen, ob wir an die Ursprungsfarbe herankommen und wie sie dann aussieht. Das ist natürlich der absolute Gegenentwurf zu den Hotelplänen: sehr spartanisch, stark denkmalgerecht. Ich bin sehr dankbar, dass ich jetzt diese neue denkmalgerechte Sanierung wieder als Architekt begleiten darf. Der Landeskonservator unterstützt uns sehr.

Die Nutzung ist aber noch offen. Was denken Sie?

Meine Lieblingsvariante ist, dass das Erdgeschoss und das spektakuläre Kellergeschoss öffentlich oder zumindest halböffentlich genutzt wird. Der bauliche Zustand des Gebäudes ist relativ gut. Es wurde sehr solide gebaut, hier wurden riesige Mengen gelagert. Das Haus steht auf Felsen, hier rutscht auch nichts den Hang hinunter. Im einfachsten Fall geht man mit der Kalkspritze durch und kann die neogotischen Räume im Erdgeschoss und im Keller der Öffentlichkeit präsentieren. Vielleicht kommen wir sogar noch weiter.

Und die Wieder-Zusammenführung mit der Albrechtsburg ist keine Option?

Zumindest haben sie ein Problem mit Wechselausstellungen in der Albrechtsburg. Da ist der Platz knapp. Offiziell dementiert der Freistaat einen neuen Platzbedarf. Aber wer weiß schon, was noch kommt.

Das Gespräch führte Ulf Mallek.