Schöne Maria für Achtzigtausend

Otto Horn - Versteigerung Schöne Maria für Achtzigtausend
Die Schöne Maria von Regensburg, um 1520 von Peter Dell d. Ä. geschnitzt, war einem Bieter 80000 Euro wert.

Eine Auktion in Dresden zeigt: Es gibt viele zahlungskräftige Freunde für Figuren der Spätgotik Museen gingen dabei jedoch leer aus.
Sächsische Zeitung vom 26.10.2015, von Birgit Grimm
Stolz trägt der Mann im mittleren Alter die Heiligenfigur aus dem Auktionshaus Günther. „Mein Melchior! Weg ist er!“ ruft eine Frau hinterher. Der Mann erwidert: „Keine Sorge, er kommt in gute Hände!“ König Melchior war das dritte Los in der Versteigerung der Sammlung Horn. Eine Holzfigur aus Kamenz, fünfundsiebzig Zentimeter hoch, um 1430 geschnitzt. Wahrscheinlich stand diese Figur einst im Kloster St. Marienstern in Panschwitz-Kuckau. Nun jedenfalls ist sie verkauft. Für 6000 Euro statt der ausgerufenen 4000.

Otto Horn - Versteigerung Schöne Maria für Achtzigtausend
Die Schöne Maria von Regensburg, um 1520 von Peter Dell d. Ä. geschnitzt, war einem Bieter 80000 Euro wert.

Den Auktionator freut es. Aber der Melchior ist bei Weitem noch nicht das ertragreichste Kunstwerk dieser Auktion. 30 000 Euro soll die „Schöne Maria aus Regensburg“ mindestens bringen. Keiner im Saal bietet mit, aber an den Telefonen geht es flott zur Sache. Für 80 000 Euro findet die Tafel einen neuen Besitzer. Es ist ein sehr feines Relief aus Lindenholz, geschnitzt 1520 von Peter Dell d.Ä. Mindestens 14000 Euro soll ein Schnitzretabel mit aufklappbaren Flügeln einbringen. Ein redseliger Beobachter der Auktion outet sich als Kenner der Sammlung und des Marktes und meint: „Das geht sicher bis 50 000 Euro. Aber das Stück ist es wert.“ Der Bieter im Saal will 70000 Euro zahlen. Doch sein Konkurrent am Telefon legt noch einen Tausender drauf.

Eine gut dokumentierte Sammlung

Für einen oberschwäbischen Schmerzensmann wären 25 000 Euro ein angemessener Preis, meint der Kenner. Bei 14000 Euro geht es los, bei 70 000 Euro fällt der imaginäre Hammer. Kommentar aus dem Hintergrund: „Die so steigern, das sind bestimmt Atheisten!“ Bei solchen Summen können und wollen Museen nicht mitbieten. Es ist nicht ihre Aufgabe, den Kunstmarkt zu befeuern. Doch an der Sammlung Horn haben einige Museen in Sachsen Interesse.

Zum Beispiel Meißen, wo Otto Horn einst ein angesehener Weinhändler war, seine gigantische Sammlung von 65 000 Münzen, 128 Plastiken und Skulpturen aus sieben Jahrhunderten, Gemälden, Grafiken. Fotografien und Büchern zusammentrug. Horn beging im Mai 1945 Selbstmord. Sein Vermögen hatte er zuvor in eine Stiftung überführt, deren Zweck Denkmalschutz und Bildung sind. In der DDR wurde sie enteignet. Die Skulpturen kamen ins Stadtmuseum Meißen und waren auf der Albrechtsburg ausgestellt. Nach der Wende wurde das Vermögen restituiert und die Stiftung wiederbelebt. Um ihren Zweck erfüllen zu können, muss die Sammlung nach und nach verkauft werden. Otto Horn hat es so gewollt.

Einen großen Teil der Münzsammlung konnte das Münzkabinett der Staatlichen Kunstsammlungen ankaufen. An den Beständen spätgotischer Holzfiguren. Reliefs und Schreine, von denen am Sonnabend 83 aufgerufen wurden, sind außer dem Meißener Museum auch das Stadtmuseum Dresden und die Museen in Bautzen, Görlitz und Zittau interessiert. Letztere hätten liebend gern das Oberlausitzer Konvolut der mittelalterlichen Holzfiguren übernommen und zwar komplett.

Doch sie scheiterten. Ob sie zu spät reagierten, um sich mit der Stiftung und dem Auktionshaus vor der Versteigerung zu einigen? Ob sie zu spät dran waren, um das notwendige Geld aufzutreiben? Kein Museum bietet mit, jedenfalls nicht offenkundig. Nach der Auktion können sie sich nur noch anschauen, was vom Kuchen übrig blieb und beratschlagen, ob ihnen diese Stücke auch einzeln munden.

Katja Margarete Mieth, Direktorin der Sächsischen Landesstelle für Museumswesen, verfolgt die Auktion vor Ort. „Es wäre gut gewesen, den Oberlausitzer Bestand für die Forschung zu sichern“, sagte sie. „Mit den Marktpreisen können Museen nicht mithalten.“ Dass drei Museen aus der Oberlausitz eine Allianz schmieden, um gemeinsam Werke ankaufen und sie in der Region, in der sie entstanden, halten zu können, ist äußerst ungewöhnlich. „Aber es hat nicht gereicht“. bedauert Frau Mieth. Allerdings wären auf die Museen bei einem geglückten Ankauf enorme Folgekosten zugekommen. Die meisten Figuren, die am Samstag versteigert werden, sind in keinem besonders guten Zustand. Sie müssen restauriert und konservatorisch aufwendig betreut werden.

Ein spätgotischer Barlach

Nicht nur die Museen kommen nicht zum Zuge. Auch mancher Sammler geht leer aus. Eine Bildhauerin hat sich in eine Figur verliebt, aber sie kommt nicht zum Zug.

Einer ihrer Kollegen ersteigert einen „Schlafenden Paulus“ von 1430, ein erstaunlich modern wirkendes Stück. Allerdings nimmt er dafür mehr Geld in die Hand als er sollte. Zufrieden witzelt er: „Da hab‘ ich einen Barlach gekauft, und keiner hat’s gemerkt.“

Der schon erwähnte Kenner der Hornschen Sammlung steigert immer noch nicht mit. Doch als seine Lieblingsstücke, eine fränkische Pieta, 16.Jahrhundert, und eine aus Westfalen, Ende 15.Jahrhundert, aufgerufen werden, seufzt er tief.

Hochzufrieden ist Auktionator Stefan Günther mit dem Ergebnis. Zum ersten Mal hat er auch live im Internet mitsteigern lassen: „Diese Auktion hat bewiesen, dass man mit hochwertigen Kunstobjekten in Dresden gute Preise erzielen kann. Dafür muss man nicht nach München fahren.“

 

Bild: Die Schöne Maria von Regensburg, um 1520 von Peter Dell d. Ä. geschnitzt, war einem Bieter 80000 Euro wert. Foto: Kunstauktionshaus Günther